Kranke Streichhölzer / Defective Matchsticks

Normalerweise teilt sich ein Streichholz mit 37 Mitbewohnern vier karge Wände ohne Tageslicht auf 17,5 Quadratzentimeter. Die beiden Türen lassen sich nur von außen öffnen und wenn sie sich nach kurzer Zeit wieder auf unbestimmte Zeit schließen, fehlt mindestens eins. Ihr scheinbarer Konformismus wird immer wieder durch Abnormalitäten gebrochen. So kommt es, dass manche unzertrennlich scheinen und sich einen Kopf teilen müssen. Andere wiederum fristen eine komplett kopflose Existenz und in seltenen Fällen haben sie eine gespaltene Persönlichkeit oder beanspruchen aufgrund ihrer Unförmigkeit mehr Raum.

Frieder Butzmann, Musiker, Hörspielautor und Performer aus Berlin, hat Sympathie und Mitleid für diese ausgestoßenen Individualisten entwickelt. Ihnen wohnt der Charme der frühindustriellen Massenproduktion und die Haptik ihres natürlichen Materials inne. Er gibt ihnen die Aufmerksamkeit, die sie seiner Meinung nach verdienen, während der Großteil unter uns sie aufgrund ihrer Nutzlosigkeit unbeachtet lässt. Er wollte nicht Dinge sammeln, die schon so viele vor ihm gesammelt hatten, und so entschied er sich für die kranken Streichhölzer, nachdem er mit Freunden in den achtziger Jahren für die Zeitschrift „kryptische Konzepte“ ein passendes Projekt suchte. „Kein Streichholz gleicht wirklich dem anderen! In der Produkterscheinung variieren die Holzarten, die zuweilen eingefärbt sind, die Größen sind unterschiedlich, die Zündköpfe sind rot, weiß, blau, grün oder andersfarbig, sie sind quadratisch, seltener rund usw.“

Er geht aber noch einen Schritt weiter und beschreibt mittels einer eigenen Taxonomie seine boykottierten und von der Gesellschaft ausgeschlossenen Zündhölzer. Zu nennen wären da zum Beispiel die Verhungerten, die Krummen, die Kopflosen, die mit Hautkrankheiten oder die Siamesischen: „Die einzige Weise einer Vereinigung von Streichhölzern. Sammlerisch betrachtet wächst der Wert mit dem Grad des Winkels zwischen den beiden Streichhölzern. Ein siamesisches Streichholz mit einem Abstandswinkel von 180° wäre mit einem fünfblättrigen Kleeblatt vergleichbar.“

Aufgrund des immensen Aufwands findet er selbst jedoch keine Zeit mehr für derartige Rettungsaktionen. Doch dank vieler fremder und unerschrockener Helfer, können auch in Zukunft viele dieser schwachen und seltsamen Exemplare ein neues, sicheres Zuhause in einem geräumigen Ordner finden. Denn wer immer von seiner Sammlung gehört hat, fischt für gewöhnlich schon bei der nächsten Berührung mit einer Streichholzschachtel ein geeignetes Objekt für seine Sammlung heraus.

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In a normal situation, a matchstick shares the four barren walls of an small, unlit 17.5 square centimetre room with 37 roommates. The two doors can only be opened from the outside and, whenever these get closed again for some undefined period of time, at least one of their members is missing. However, their apparent conformism is regularly shattered by aberrations. Sometimes, two of them appear so inseparable that they have to share a head. Others exhibit a completely headless existence and, in rare cases, some have a split personality or take up more space due to their shapelessness.

Frieder Butzmann, a musician, radio playwright and performer from Berlin, has nurtured sympathy and compassion for these outcast individualists. They retain the charm of early industrial mass production and the feel of their natural material. While most of us ignore them due their uselessness, he gives them the attention he believes they deserve. He had no interest in collecting things that so many had collected before him so, after looking for a suitable project with friends for the magazine "kryptische Konzepte" ('Cryptic Concepts') in the 1980s, he settled on these defective matchsticks. "No two matchsticks are truly the same! The appearance of the item varies depending on the type of wood, which is sometimes dyed, or on the varying sizes that are available. Also, the heads can be red, white, blue, green or other colours, and they can be square or, less commonly, round, etc."

However, he goes one step further and uses his own taxonomy to describe his boycotted and socially unacceptable matchsticks. For example, he uses terms such as the starving, the crooked, the headless, those with skin diseases or the Siamese. "The only way to unite the matchsticks! From a collector's point of view, their value increases with the degree of angle between the two matchsticks. A pair of twins with a spacing angle of 180° would be little less than a five-leaf clover."

However, due to the immense effort involved, he no longer finds the time for such rescue operations himself. Instead, thanks to the assistance of a large cohort of strange and intrepid helpers, many of these weak and bizarre specimens are able to secure themselves future, secure accommodation in a spacious folder. Because, anyone who ever gets to hear of his collection usually fishes out a suitable item for the collection the next time they lay hands on a box of matches.